„Sag mal Troll, was stehst du hier so blöde hinter dem Baum rum? Versteckst du dich etwa vor jemand?“
„Psst, nicht so laut! Ich möchte nicht, dass sie bemerken, dass ich hier bin.“
„Du stehst hier mit deinen Ball unterm Arm, versteckst dich hinter diesem Baumstamm und starrst die Jungs und Mädchen unten am See an, die gerade ausgelassen und laut lachend und voller Freude Ball spielen. Sag mal Troll, was stimmt mit dir eigentlich nicht? Geh doch einfach hin und spiele mit! Das ist es doch, was du willst. Nun geh schon. Los!“
Der kleine Troll ist verlegen. Einerseits ist er ja aus genau diesem Grund hier. Er wusste, heute ist wieder Freizeitreffen und jeder der Lust hat, ist immer herzlich willkommen mit zu machen. Es ist ja auch nicht so, als wären die anderen ihm fremd. Nein. Im Gegenteil. Einige von ihnen kennt er bereits aus dem Unterricht und aus der Kirchengruppe, manche auch einfach nur so. Eigentlich kennt er sie sogar alle. Zumindest mit Namen. Doch ob sie ihn auch kennen? Ihn? Den kleinen und unscheinbaren Troll? Ob sie sich an ihn erinnern?
„Lass mich. Ich will gar nicht mitspielen.“, faucht er die Stimme an und greift seinen Ball wie zur Verteidigung etwas fester. „Nein. Natürlich willst du das nicht. Deshalb stehst du auch den halben Nachmittag auf dem Hügel hinter dieser Birke und beobachtest genau, was da unten vor sich geht. Sag mal Troll, willst du mich zum Narren halten? Glaubst du wirklich ich bin blind?“, zischt die Stimme herausfordernd zurück. „Ich weiß genau, dass du einfach nur zu feige bist und Schiss hast zu ihnen zu gehen. Lieber stehst du dir hier die Beine in den Bauch und badest in Selbstmitleid!“ „Du hast doch überhaupt keine Ahnung! Du weißt doch gar nicht, ob sie mich mitspielen lassen wollen.“, schreit der kleine Troll die Stimme an. „Sie sind doch schon so viele. Da bin ich doch nur über.“, fügt er deutlich leiser und mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern hinzu. Er steht ziemlich getroffen hinter dem breiten Baum mit schwarzweißer Rinde und verzieht wütend und in sich gekehrt das Gesicht. Seine Augen blicken voller Wut und seine Stirn liegt in tiefen Falten. Er weiß genau, dass die Stimme recht hat. Er ist einfach zu feige. Er hat Schiss, sie könnten ihn fortjagen, ihn ignorieren und einfach nicht dabei haben wollen. Mit zusammengekniffenen Augen starrt er wütend zum See. Die Jungen und Mädchen da unten werfen sich gegenseitig den Ball zu und haben dabei offensichtlich jede Menge Spaß. Der kleine Troll ist nicht wütend auf die anderen oder auf die Stimme. Nein. Er ist furchtbar wütend auf sich selbst.
Seinen Ball fest unter dem Arm versteckt er sich noch immer, wie er plötzlich die tiefen und ihm vollkommen fremde Töne eines alten Mannes hinter sich vernimmt: „Ja was stehst du denn hier rum? Geh doch einfach hin und mach‘ mit!“ Die plötzlichen Worte dieses alten und grauhaarign Mannes, der mit seinem Stock in der Hand durch den Park spaziert und mit selbigen nun zu der Gruppe am See fuchtelt, erschrecken ihn und reißen ihn für kurze Zeit aus seinem Gefühlschaos. Der kleine Troll starrt den Fremden einen Moment lang an. Er weiß nichts zu erwidern. Er hat Respekt vor dem Alten. Und er schweigt. Auch die Stimme ist verschwunden. Ganz allein und vollkommen überfordert steht er da und weiß nicht, was er sagen oder tun soll. Plötzlich rennt er los. Wortlos und fluchtartig rennt er davon. So schnell er nur kann, rennt er den Berg hinunter. Seinen Ball dabei immer fest im Griff.
„Es stimmt“, denkt er traurig bei sich. „Ich habe einfach nur Schiss und traue mich nicht hinzugehen und mit zu machen.“ Traurig und verzweifelt lässt er den Kopf hängen und geht zurück nach Hause. Von der Stimme ist weit und breit nichts mehr zu hören. Was sollte sie jetzt auch noch sagen?
Der kleine Troll ärgert sich. Wieder ein verpatzter Nachmittag. Wieder ein Tag, an dem er nicht über seinen eigenen Schatten springen konnte. Es nicht einmal versucht hat. An weiterer Tag, an dem er wie gelähmt nur zusehen konnte, wie das Leben an ihm vorbei zieht.
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