„Ich schäme mich so“. Der kleine Troll blickt auf den Boden seiner winzigen Höhle. „Ich habe einfach nichts zu bieten. Ich bekomme einfach nicht alles unter einen Hut. Das Leben, die Familie, die Arbeit. Ich schaffe das einfach nicht. Dafür ist meine Höhle einfach zu klein.“ Der kleine Troll ist mal wieder verzweifelt und kämpft mit sich und seinen Idealvorstellungen. „Was redest du denn da schon wieder? Denk doch mal nach, was du alles erreicht hat!“, kontert die Stimme. Der kleine Troll blickt auf. Es stimmt schon. Schließlich ist er alleine mit seinen Sprösslingen. Er hat Arbeit und sorgt für regelmäßiges Einkommen. Er kümmert sich, so gut er es eben kann trotz all seinen persönlichen kleinen und großen Baustellen, um alles und ist immer versucht es allen recht zu machen. Er steht früh auf, fegt den erdigen Höhlenboden, schickt die Kleinen los, um etwas zu lernen und kümmert sich dann um den ihm anvertrauten fremden Nachwuchs der Waldbewohner. Er gibt ihnen ein warmes Zuhause und bereitet das Essen. Gibt immer sinnvolle und hilfreiche Ratschläge, wenn einer nicht mehr weiter weiß und steht immer mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn es um Sorgen und Nöte der anderen geht. ‚Der kleine Troll macht das schon‘, heißt es dann und hin und wieder bekommt er sogar zu hören, wie sehr man ihn bewundert, dass er das alles so schafft. So ganz alleine. Ohne jegliche Unterstützung. Ohne Familie. Andere wären schön längst verzweifelt, bekommt er dann zu hören. Das er genau das selbst auch ist und das ihm oft nachts die Tränen kommen, weil er sich so vieles für sich und seine Kleinen anders gewünscht hätte, das weiß und merkt keiner.
„Ich würde so gerne auch mal Besuch in meiner Höhle empfangen. Freunde oder Bekannte einladen, die zu Besuch in meine Höhle kommen. Für die ich kochen oder backen kann und mit denen ich zusammen sitze und über das Leben, in all seinen Facetten sinnieren kann.“ ‚Der kleine Troll hat schon wieder Träume.‘, denkt die Stimme bei sich. Anders kann sie sich nicht erklären, wovon er da eigentlich redet. „Sag mal Troll, was hat dich denn eigentlich schon wieder gestochen?“ Die Stimme kann mit diesem sentimentalen Anwandlungen des kleinen Trolls nicht umgehen. Sie ist immer staight und mag es nicht so gern haben, wenn der kleine Troll wieder seine fünf Minuten bekommt. „Troll, jetzt höre aber mal auf. Ich verstehe sicherlich, was du meinst, aber in deiner Situation gibt es nun mal kein Leben im Märchenschloss. Das muss dir doch klar sein! Also höre endlich auf, dir Vorwürfe zu machen und sei mal zufrieden mit dem, was du an Möglichkeiten hast! Niemand kann immer nur nach den Sternen greifen.“
Natürlich ist das dem kleinen Troll bewusst. Doch seine Lage war ja nicht immer so. Er denkt viel nach, wenn er Nacht für Nacht allein im Dunklen liegt. Wenn er ohne Begleitung durch den Wald spazieren geht oder es sich auf einem treibenden Baumstamm auf dem See bequem macht und die Ruhe und Stille des glucksenden Wassers hört, während seine Füße im frischen Nass die kleinen Freuden der Natur zu spüren bekommen. Er ist sich sehr wohl bewusst, dass er sein Bestes gibt, doch irgendwie ist ihm selbst dieses Beste nicht gut genug. „Ich schäme mich trotzdem.“, sagt er nun mit hängendem Kopf und Achselzucken zur Stimme. „Es mag ja sein, dass ich alles gebe, aber sieh dich doch mal um. Alles ist nur Zweckdienlich. Doch es fehlt hier die Harmonie, die Gemütlichkeit, das Wohlbefinden.“ Der kleine Troll sackt erneut in sich zusammen. „Ich habe es einfach nicht geschafft den kleinen Trollen eine schöne und geborgene Heimat zu geben.“ Der kleine Troll macht sich Sorgen. Wie gern wäre er seinen Sprösslingen ein besseres Vorbild gewesen.
Die Stimme seufzt. Was soll sie da denn nun noch zu sagen? „Weißt du Troll, Selbstvorwürfe bringen dich nicht weiter. Nimm es doch einfach mal so hin. Akzeptiere das, was du leistet, was du alles geschaffen hast und vergiss dabei niemals, wo du her gekommen bist. Welche Steine du bereits aus dem Weg geschaffen hast und wie viele Hindernisse du überwunden hast. Vergiss nicht, dass auch du deine Grenzen hast und nicht das Unmögliche wahr machen kannst. Und Troll, vergiss nicht, dass ganz andere Werte zählen, als die Größe deiner Höhle!“ Die Stimme überlegt kurz, dann sagt sie, bevor sie für diesen Abend verstummt: „Troll, du bist ein feiner Kerl. Du bist mutig und stark und wer dich kennt, der mag dich um deinetwillen, nicht wegen deiner Höhle und auch nicht für das, was du glaubst leisten zu müssen! Vergiss den ganzen Quatsch und fang endlich an, an dich zu glauben!“
Der kleine Troll sitzt noch immer auf seinem Lager und lässt die Beine baumeln. Tief in seinem Inneren weiß er ja, dass die Stimme recht hat, er muss es nur endlich auch selbst annehmen können.
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